Keine Helmpflicht für Radfahrer

BGH: Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms

RA Matthes meint:

 

Der verklagte Versicherer hatte der Klägerin sogar ein Mitverschulden von 50 % angerechnet. Das OLG Schleswig hat in der Berufung die Mithaftung von 20 % u.a. damit begründet, dass ein verständiger Mensch einen Helm tragen würde, da diese nicht übermäßig teuer seien und nach einhelliger Meinung von Sicherheitsexperten vor Kopfverletzungen schützen. Damit wäre eine Helmpflicht durch die „Hintertür“ ohne gesetzliche Vorgabe entstanden; die Einführung einer Helmpflicht ist Aufgabe des Gesetzgebers, nicht der Rechtsprechung

 

Wird das Radfahren als Sport betrieben und steht dabei die Erzielung hoher Geschwindigkeiten im Vordergrund besteht hingegen wohl die Obliegenheit zum Tragen eines Schutzhelmes. Dies lässt der BGH ausdrücklich offen.

 

Die Klägerin fuhr mit ihrem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit auf einer innerstädtischen Straße. Sie trug keinen Fahrradhelm. Am rechten Fahrbahnrand parkte ein PKW. Die Fahrerin des PKW öffnete unmittelbar vor der sich nähernden Radfahrerin von innen die Fahrertür, so dass die Klägerin nicht mehr ausweichen konnte, gegen die Fahrertür fuhr und zu Boden stürzte. Sie fiel auf den Hinterkopf und zog sich schwere Schädel-Hirnverletzungen zu, zu deren Ausmaß das Nichttragen eines Fahrradhelms beigetragen hatte. Die Klägerin nimmt die Pkw-Fahrerin und deren Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz in Anspruch. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin ein Mitverschulden von 20 % angelastet, weil sie keinen Schutzhelm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe.

 

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Nichttragen eines Fahrradhelms führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens. Für Radfahrer ist das Tragen eines Schutzhelms nicht vorgeschrieben.

Zwar kann einem Geschädigten auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften haftungsrechtlich ein Mitverschulden anzulasten sein, wenn er diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre. Ein solches Verkehrsbewusstsein hat es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben. So trugen nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2011 innerorts nur elf Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm. Inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichtragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann, war nicht zu entscheiden.

 

Urteil vom 17. Juni 2014 - VI ZR 281/13 

Pressemitteilung Nr. 095/2014 vom 17.06.2014

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